Das
finstere Mittelalter - oder - Beleuchtungsökonomie im Mittelalter
In unseren modernen Zeiten, wo nach Einbruch der Dunkelheit,
alles in künstlicher Beleuchtung erstrahlt, ist es schwer vorstellbar, dass im
Mittelalter der Großteil der Bevölkerung abends im Dunkeln saß.
Es gab im bis zur Einführung des Mineralöls lediglich zwei
Möglichkeiten, künstliches Licht zu erzeugen:
- Holz und Kienspanfeuer
- Dochtleuchten (Öllampen, Kerzen)
Die ersteren waren für eine gleichmäßige Beleuchtung, die
man generell für produktive Tätigkeiten als nötig erachtet, nicht geeignet, da sie ein
flackern, stark rußen und auch ständig Betreuung benötigen. Ein Kienspan brannte auch
nur für wenige Minuten.
Bei der zweiten Gruppe der Dochtleuchten sind diese Nachteile
nicht gegeben, jedoch ergibt sich hier eine neue Problematik mit den Brennstoffen (Fette
und Wachse). Diese sind leider nicht in großen Mengen verfügbar. Und was die Situation
noch verschlimmert, mit Ausnahme des Bienenwachs sind diese Brennstoffe Lebensmittel, was
die Lampe zum Nahrungskonkurrenten macht.
Brennstoffe für Dochtleuchten:
- Bienenwachs
- Talg (tierische Fette)
- Pflanzenöle
Die Nahrungskonkurrenz scheint auf den ersten Blick nicht auf
der hand zu liegen, aber bei einer kleinen physikalischen Betrachtung erscheint sie doch
immens: Betrachtet man eine kleine Ölflamme, ca. 2- 3 cm groß, die die Leuchtkraft einer
Kerze hat, so kommt man auf einen Ölverbrauch von 8 g pro Stunde. Auf den Nährwert des
Öls umgerechnet, kommt man auf ca. 300kJ pro Stunde, was 7296 kJ pro Tag entspricht - dem
durchschnittlichen Energiebedarf eines erwachsenen Menschen. Diese kleine Flamme hat
bereits die Leistungsaufnahme von 85 Watt - man vergleiche das mit der Leuchtkraft von
entsprechenden Glühbirnen. Eine Beleuchtung mit 12 Ölflammen, die schon ein brauchbares
Licht zum Arbeiten abgeben, benötigt also 240 g Öl pro Stunde. Auch wenn eine solche
Beleuchtung nur wenige Stunden pro Tag brennt, könnte man mehrere Menschen mit dem Öl
"ernähren". Daraus wird schnell klar, das der Mensch im Mittelalter sich
generell den Luxus einer künstlichen Beleuchtung nur selten leisten konnte, insbesondere
durch die damals nicht seltenen Hungersnöte. Die knappen Lebensmittelvorräte im Winter
wird man sicher nicht unnötig in Lampen verbrannt haben.
Diese Nahrungskonkurrenz bezieht sich auf fast alle
Brennstoffe, auch auf Talg, der zwar keinen guten Geschmack, aber dafür den gleichen
Nährwert wie die meisten tierischen Fette aufweist.
Bienenwachs hingegen ist kein Nahrungsmittel, sondern ein
Nebenprodukt der Honiggewinnung. Aber auch damit ist für die einfache Bevölkerung keine
ausreichende Versorgung gewährleistet, da Wachs hauptsächlich für Kerzen in Kirchen und
Adel benötigt wurde. Teilweise war der Wachsbedarf der Kirchen so groß, daß sogar Wachs
importiert werden musste.
Aus dieser Betrachtung wird leicht ersichtlich, dass
Beleuchtung nach Einbruch der Dunkelheit in Mitteleuropa eine Seltenheit war. In
Südeuropa sah die Situation etwas besser aus, da dort mehr ölproduzierende Pflanzen
(z.B. Oliven) wachsen.
Author: Gunter Krebs
Quelle:
Light-Cultur - Vorgeschichtliche Beleuchtung
Landesamt für Archäologie, Sachsen-Anhalt
https://www.archlsa.de/lightkultur/light2001/
|