 Hortulus
Der mittelalterliche Garten
Wichtige Einblicke in die Bedeutung des
mittelalterlichen Gartenbaus und der damals zur Verfügung stehenden Pflanzenarten ergeben
sich etwa aus schriftlichen Quellen wie das im frühen Mittelalter entstandene capitulare de villis
(ca. 800 n. Chr.), dem Klosterplan von St. Gallen (ca. 820 n. Chr.) und dem liber de cultura hortorum
des Reichenauer Abtes Walahfried Strabo (ca.
830 n. Chr.).
Die für das Hochmittelalter erwähnenswerten
Schriften sind die Physica der hl. Hildegard von Bingen (ca. 1150), sowie
die Schriften des Albertus Magnus (ca. 1260) und des Petrus de Crescentiis (ca. 1305).
Leider liegen bisher kaum archäologische Befunde
über mittelalterliche Gärten vor, welche es ermöglichen würden die Anlage und Funktion
der Gärten zu klären. Daher bieten uns bisher fast nur zeitgenössische Bild- und
Schriftzeugnisse einen Einblick in mittelalterliche Gartenkultur.
Ein recht gutes Bild gibt uns der St.
Galler Klosterplan in welchem schon vier Gartentypen verzeichnet sind. So erinnert
der Garten im Kreuzgangbereich südlich der Klosterkirche stark an einen römischen
Peristylgarten. Ein Wegkreuz führt zum Zentrum der Anlage wo vermutlich ein Sadebaum
(Giftwacholder, Juniperus sabina) vorgesehen war. Bei vielen anderen Kreuzgärten stand in
der Mitte üblicherweise ein Brunnen.

Der Gemüsegarten und der Kräutergarten sind
ähnlich geplant. Wobei sie jeweils zwei Reihen schmaler und mehr oder minder lange Beete
aufweisen.Den Kräutergarten umgeben zudem an seinen Rändern acht weitere Beete. Die
Beete sind deutlich von den Wegen abgesetzt, so dass an eine Begrenzung durch Bretter zu
denken ist. Diese Methode beschreibt Walahfried
Strabo in seinem Hortulus.
Gemüse, Gewürze und Heilpflanzen hat man in
Beeten angebaut hat. Diese Beete waren dorch Bohlen begrenzt, welche man beim Umgraben
entfernen konnte. Sie dienten dem Festhalten des Bodens, wie dies schon Walahfried berichtet. Die Fixierung der Bohlen
erfolgte mit Hilfe von Pflöcken. Dies war besonders dann erforderlich wenn
ähnlich einem modernen Hochbeet der Boden wesentlich höher reichte als die
angrenzenden Wege.
Angaben über Obstgehölze findet man im St.
Galler Klostergarten in den Bereichen des Obstgartens sowie des Friedhofes.
Die in den Klöstern entwickelten Kenntnisse
über Kulturpflanzen, Anbaumethoden und Gestaltung von Gartenanlagen wurden insbesondere
durch Bendediktiner und Zisterzienser verbreitet.
Im St. Galler Klosterplan lässt sich schon ein
Gartentyp nachweisen der nicht der Produktion diente, sondern offenbar der Ruhe und des
Gebetes diente. Diese unwirtschaftliche Gartennutzung tritt im Verlaufe des
Hochmittelalters wohl in zunehmender Weise auf. Albertus Magnus beschreibt einen solchen
Lustgarten. In diesem Plan gibt es zwar noch einen Kräutergarten, aber der größere Teil
der Anlage ist ein Grasgarten. Dieser Kennzeichnet sich durch eine Rasenbank, welche zum
Teil von Zierpflanzen bewachsen ist. Ferner findet sich dann eine Quelle und der Garten
wird von einer Baumreihe begrenzt. Für den Ziergarten empfiehlt Albertus Magnus Pflanzen
wie Marien-Lilie, Rose, Schwertlilie, Akelei, Veilchen, Salbei,
Basilikum, Weinraute und Ysop.
Dieser Gartentyp erweitert sich im Spätmittelalter zur Idealvorstellung des
Paradiesgärtleins.

Ob und in welchem Umfang Gärten in Stadt und
Dorf diesem Ideal nahekamen ist leider nicht überliefert. Es ist aber durchaus denkbar,
daß dortige Gärten aus praktischen Gründen eine ähnliche Anlage hatten wie die des St.
Galler Klorsterplanes.
Autor: Claudia Henn, 22.11.2003
Quelle:
Der
Garten von der Antike bis zum Mittelalter
M. Carrol-Spillecke u.a.
Verl.: Philipp von Zabern (1992)
ISBN: 3-8053-1355-1 |