Wohnen im mittelalterlichen Dorf
Siedlungsentwicklung im Hochmittelalter
Im Zuge einer stetig steigenden Bevölkerungszahl
kam es im 12. Und 13. Jahrhundert zu einer größer werdenenden Verdorfung und
zu zahlreichen permanenten Neugründungen, darunter Städte wie Freiburg i. Br., Lübeck
oder München, letztere eine Gründung von Heinrich
dem Löwen. Sie entwickelten sich aus planmäßig angelegten Siedlungen. Viele
Siedlungen entsanden um Burgen, um dereren Versorgung zu sichern, ebenso konnten um
Klöster Ansiedlungen entstehen wie bei Münster i. W., das das Kloster, monasterium, noch
im Namen bewahrt hat.
Die Wohnverhältnisse des mittalterlichen Menschen waren, anders als heute, von einer
Vielzahl ihn bestimmender Umweltfaktoren abhängig: aus den lokal verfügbaren
Materialien, den Erfordernissen des Klimas, aus wirtschaftlichen Gegebenheiten, dem Grad
der Domestizierung der Umwelt, regionalen Traditionen, Zwängen des Rechts und natürlich,
wie heute, den finanziellen Möglichkeiten und der sozialen Stellung.
Leben auf dem Land
Die schon erwähnte Bevölkerungszunahme bedingte
eine Reihe von einschneidenden Veränderungen der mittelalterlichen
Wohnlandschaft, welche zu einer zunehmenden Ortsfestigkeit der Weiler führte.
Wo man im Frühmittelalter, bedingt durch eine extensive Landwirtschaft welche zu einer
Verarmung der Boden ressourcen führte, nach einigen Jahren den Weiler an andere Stelle
verlegt hat (z.B.: die sog. wandernden Dörfer Dänemarks).
Die Einführung der Dreifelderwirtschaft,
welche dem Boden Zeit zur Regeneration gibt, begünstigte die Entwicklung von Dörfern
welche natürlich eine dichtere Besiedelung aufwiesen als die Weiler, mit gemeinsamen
funktionellen Einheiten (Wege, Brunnen) und gemeinsamen rechtlichen Normen (Flurzwang).
Seit dem Hochmittelalter gilt auch für die
Häuser selbst der Trend zu größerer Dauerhaftigkeit, anstelle der oft in jeder
Generation nötigen Neuanlage des Frühmittelalters, wo man häufig seine Hütte abbrach
und mitnahm (abduxit) was aber durchaus auch im weiteren Verlauf des Mittelalters bei
Bedarf beibehalten wurde. Tragende Holzteile der Häuser wurden häufiger auf Schwellen
oder Stein- bzw. Ziegelfundamente gesestzt, nicht mehr direkt in den Boden eingegraben.
Der Hausbau erflogte in der Regel in
Nachbarschaftshilfe und mit der Beteiligung von spezialisierten Handwerkern wie
Zimmerleute oder Strohdecker. Während Stein- und Blockbauten stabil genug waren, blieben
die einfachen, lehmverkleideten Flechtwerkwände dünn. Ende des 13. Jahrhunderts kamen
als Wandfüllungen u.a. in Norddeutschland auch Ziegel zur Verwendung. Die Höfe waren
meist mit einem Zaun aus Weidegeflecht oder Totholzgeflecht umgeben. Die Dächer, in der
Regel aus Stroh oder seltener Holzschindeln, waren extrem feuergefährdet.
Die Fußböden waren oft nur gestampfte Erde; Stroh diente dazu, etwas Wärme und
Sauberkeit zu bieten. Das Dach des Hauses war mit einer Rauchluke versehen. Fenster
waren aus bau-, sicherheits- und wärmetechnischen Gründen äußerst klein gehalten.
Während des gesamten Hochmittelalters dominierte das rechteckige und durch eine Wand in
Wohn- und Stall- bzw. Vorratsbereich geteilte Haus.
Lange Zeit koexistierten alte Bauweisen neben
neueren, so errichtete man noch im Hochmittelalter altertümliche Grubenhäuser, aber nur
als Speicher- und Arbeitsbauten. Im südlichen Deutschland z. B. scheint der Säulenbau
noch im 15. Jahrhundert verbreitet gewesen zu sein.
Ab dem 13. Jahrhundert gab es die ersten
Tendenzen die Häuser in Wohn-und Wirtschaftsfunktionen zu unterteilen. Vielfach lebten
die Bauern aber noch mit dem Vieh unter einem Dach und dies nicht immer durch eine Wand
getrennt. Nicht nur die eigentlichen Haustiere, auch Schweine und Geflügel hatten
allgemein Zugang.
Ausgestattet war das Haus oft mit einer Rauchstube oder -küche, mit einem offenen Herd,
auch andere Räume (so vorhanden) konnten offenes Feuer auf dem Boden haben. Vor dem
Feuerplatz gab es gelegentlich eine Grube in welcher man glühende Kohle die Nacht über
aufbewahren konnte.
Zur Ausstattung eines solchen Hauses konnten einfache Truhen, aus einem Baum herausgehauen
oder aus Brettern (z.B. Seitenstollentruhen) gehören. Zum Trocknen der Kleider gab es
beim Herd Stangen im Raum.
Unmittelbar an das Haus grenzte der Garten (Hortus),
die Latrinengrube lag etwas abseits und sollte, so wenigstens der
Sachsenspiegel wie Schweinestall und Backofen drei Fuß vom Zaun entfernt
sein.
Besonderheiten des Volksglaubens zum Wohnbereich
sind Bräuche wie Umgang und Räuchern gegen Geister sowie Amulette (Kreuz) und das
anpflanzen von Hauswurz (Dachwurz) auf den Dächern der Häuser, eine antike, nachweislich
schon seit der Karolingerzeit bekannte Tradition.
Autor: Claudia Henn
Photos: Claudia Henn
Quelle:
Europa im Hochmittelalter 1050-1250
Peter Dinzelbacher
Primus Verlag (2003)
ISBN: 3-89678-474-9 |