Die
Ronneburg bildet die ideale Kulisse, um für ein paar Tage in das
schlichte und entbehrungsreiche Leben in früherer Zeit
einzutauchen
Brettchenweben
statt Säbelgerassel: Auf der Ronneburg rückt das Interesse am
schlichten mittelalterlichen Alltagsleben in den
Mittelpunkt.
Ronneburg
· 23. August · Kostüm? Bei diesem Begriff rümpft Kerstin Gafiuk die
Nase. "Gewandung" muss es heißen, sagt die junge Frau aus Altenstadt
und fügt hinzu: "Wir verkleiden uns nicht, wir ziehen das an, um wir
selbst zu sein." Kerstin Gafiuk hat Glück. Die nur wenige Kilometer
von ihrem Heimatort entfernte Ronneburg ermöglicht es ihr, relativ
häufig die bevorzugte Magdrolle zu verkörpern. Wie am vergangenen
Wochenende. Zwei Tage lang demonstrierten in den historischen Mauern
etwa ein Dutzend Akteure, wie sich der Alltag auf einer hessischen
Wacht- und Schutzburg im Hochmittelalter abgespielt haben
könnte.
Entspannt knetet die gelernte Industriekauffrau am
Samstagnachmittag Brotteig. "Fleisch gab es früher nur einmal die
Woche", erzählt Kerstin Gafiuk aus der Gruppe "Iegenôte", wie sich
der kleine Kreis mit dem Faible fürs hochmittelalterliche Leben
nennt. Dazu gehört Maria Günther aus Dettelbach bei Würzburg, die
neben dem lodernen Küchenfeuer einen verzwirnten Faden zu einem
Socken verarbeitet. "Nadelbinden, hieß das früher, stricken kannte
man noch nicht", berichtet die hauptberufliche Erzieherin.
Kräutertorte
statt Weizenbrei
Schließlich gesellt sich der Koch dazu.
Thomas Meisterknecht wirft einen prüfenden Blick auf die Zutaten. Am
Abend ist auf der Burg ein Festschmaus angesagt. Wenn die letzten
Besucher der Museumsveranstaltung die Ronneburg verlassen haben,
beginnt für die Akteure das wahre Leben. "Erbsensuppe, Wildpastete
und Kräutertorte, alles nach Originalrezepten", verrät
Meisterknecht. Sicherlich, die normale Bevölkerung habe überwiegend
Weizenbrei gegessen. Doch auf den Burgen habe man häufiger
Gelegenheit zum Feiern gefunden, ergänzt der Gymnasiallehrer aus
Gießen, der hier mit seiner achtjährigen Tochter Dorothea Quartier
bezogen hat.
Entspannt geht es auch im Nachbarraum zu, wo
sich eine weitere Interessengemeinschaft namens "Turbo delirantcium"
bei Musik und Spiel die Zeit vertreibt. Gunter Krebs, die Bundhaube
als Schutz vor Läusen und unansehnlichem fettigen Haar über den Kopf
gestülpt, lässt den Knochenwürfel neben ein Spielbrett rollen, das
seine Backgammon-Affinität nicht leugnen kann. "Wurfzabel nannte man
das", lässt der Frankfurter wissen, der seit zwei Jahren
mittelalterliche Quellen studiert und dabei vor allem in der
weltlichen Liedersammlung "Carmina Burana" fündig wird. Von Beruf
Programmierer, nutzt Krebs immer wieder die Gelegenheit, sich an
Wochenende authentisch in die Zeit des 12. Jahrhunderts zurück zu
versetzen.
"Ich will erfahren, wie die Menschen früher
wirklich gelebt und empfunden haben", erzählt auch Claudia Henn.
Noch nächtigt die Rechtsanwalts-Angestellte auf Burgen mit
Schlafsack und Isomatte. Bald sollen Stroh- und Wollsäcke herhalten.
"Man versucht, besser zu werden", ergänzt sie.
Lebensgefühl
Mittelalter: Der Verein der Freunde der Ronneburg profitiert von dem
wachsenden Interesse, das einfache und entbehrungsreiche Dasein in
den relativ rar gesäten gut erhaltenen historischen Stätten am
eigenen Leib zu erfahren. "Es bieten sich immer mehr Gruppen an",
berichtet Veranstaltungsorganisator Eckard Robert Schwandt aus
Steinheim. 600 Besucher kamen alleine am Samstag bei wechselhaftem
Schauerwetter auf die Burg, die den jugendlichen Besuchern das
faszinierende Ritterdasein zudem nicht ganz vorenthielt. Einige
kurze Ritterschaukämpfen oder Armbrustschießen gehörten doch zum
Programm. Auch die Streckbank ließ manchen erschauern, obgleich die
Folterkammer nur Fiktion ist, weil die Ronneburg keine Rechtsstätte
war.